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13.06.2023 17:21

Wieso ist die Lackierung am Einzelteil so selten?

Diese Frage kann Fensterbauer Christian Michels aus Rheda-Wiedenbrück auch nicht so recht beantworten. Er jedenfalls arbeitet in seinem Betrieb seit zehn Jahren so. Wir haben ihn gefragt, welche Vorteile er sieht und was bei ihm im Betrieb anders läuft, als bei anderen Unternehmen.


Die mit zwanzig Fensterkanteln bestückte Tra­verse passiert den Einlauf der Roboterzelle. Der hier platzierte 2D-Plus-Scanner erfasst die Umrisse und wenig später startet der Roboter den Lackiervorgang. Wie von Geisterhand gesteuert, fährt die Pistole die Kanteln aus den verschiedensten Winkeln an, bis sie rundherum gleichmäßig beschichtet sind. Lackierer und Anlagenführer Vitaly schaut sich das Ganze kurz an und geht dann zurück zum Schleifplatz. Während er sich um den Zwischenschliff der einmal lackierten Teile kümmert, verrichtet der Roboter weiter seine Arbeit.

Zwei Mitarbeiter kümmern sich bei Fensterbauer Christian Michels in Rheda-Wiedenbrück um die Oberfläche. Im Jahr beschichten sie rund 3500 Fens­ter, mehr als 300 Haustüren und über 100 Hebeschie­betüren. Was die Fenster angeht, arbeitet Michels seit zehn Jahren mit der Lackierung am Einzelteil. Das heißt: Alle Einzelteile werden vorab komplett im Dreischichtautbau lackiert, bevor sie mit Dübel und Schraube verbunden werden. Beim Rahmen werden alle vier Ecken verklebt, beim Flügel nur die beiden gegenüberliegenden. Damit kann der Flügel gegebe­nenfalls wieder auseinandergebaut werden, sollte es zu einem Schaden am Glas kommen. Glasleisten gibt es bei Michels nur noch für Sonderelemente.

Die Vorteile des Verfahrens

»Allein der Wegfall der Glasleiste spart uns eine Men­ge Arbeit und Zeit«, so Geschäftsführer Christian Michels. Den wesentlichen Vorteil der Einzelteilla­ckierung sieht er natürlich in der Rundumbeschich­tung des Holzes, das damit optimal vor Witterungs­einflüssen geschützt ist. Michels: »Wir haben mittler­weile viele Jahre Erfahrung mit der Beschichtung am Einzelteil, Probleme gabs bisher so gut wie gar nicht.«

Bei Michels wird der überwiegende Teil der Fens­ter deckend lackiert. »Dafür ist die horizontale Einzel­teilaufhängung sehr gut geeignet«, erläutert Claudia Max-Heine, Geschäftsführerin des Anlagenbauers Range+ Heine in Winnenden. »Lasuraufbauten sind von der Aufhängung her schwieriger zu handhaben. Systembedingt kann es zu feinsten Schichtstärkenun­terschieden kommen, die zwar keinen Einfluss auf die Qualität der Beschichtung haben, vom Auge je­doch wahrgenommen werden.« Bei Holz-Alufenstern lässt sich diese Problematik umgehen, in dem der be­treffende Bereich auf die zum Aluminium zeigende Seite gelegt wird. Sowohl bei Lacken als auch bei La­suren arbeitet Michels mit Produkten von Remmers.

Welche Herausforderungen gibt es?

Range+Heine hat die Oberflächenabteilung projek­tiert und alle wesentlichen Komponenten geliefert. Michels arbeitet in einem Zweitages-Rhythmus mit einem recht kontinuierlichen Durchlauf. Am ersten Tag werden die Teile geflutet und zwischenbeschich­tet, am zweiten Tag geschliffen und endlackiert. Das hat den Vorteil, dass keine forcierte Trocknung erfor­derlich ist. Obwohl die gesamte Anlage nur rund 60 Traversen aufweist, stehen rund 150 Pufferplätze be­reit. Nach der Flutanlage und besonders nach der Roboterzelle sind lange Abtropf- und Trocknungs­strecken angeordnet. Denn durch die waagrechte Aufhängung der Einzelteile benötigt der Lack länger zum Ablaufen.

Die beiden Mitarbeiter haben zwischendurch im­mer wieder Zeit für den Zwischenschliff. Für den wur­de ein eigener Bereich geschaffen mit Schleiftischen und Unterflurabsaugung. Womit wir gewissermaßen auch bei einem Nachteil der Einzelteilbearbeitung wären: Zum Zwischenschliff müssen die Teile von den Traversen abgenommen werden. Das bedeutet einen gewissen Mehraufwand gegenüber der kon­ventionellen Vorgehensweise, bei der die Rahmen hängen bleiben können.

In den Aufhängevorrichtungen der Teile an den Traversen steckt übrigens eine Menge Know-how. Sie wurden in Zusammenarbeit von Michels und Roboter einerseits ohne Spritzschatten lackieren kann, andererseits das Teile-Handling gut möglich ist. Lackierer Vitaly ist mit der Anlage mittlerweile so vertraut, dass er den Roboter auch nach Feierabend bis zu drei Stunden alleine weiterlaufen lässt. Sind die entsprechenden Aufträge abgearbeitet, schaltet die­ser sich automatisch aus.

Da für Einzelteile eine andere Düsengröße benö­tigt wird als für Rahmen, ist der Roboter mit zwei Pistolen ausgestattet. In der Software ist zu jedem Lackierprogramm die jeweils passende Pistole hinterlegt. So können an einer Traverse Einzelteile lackiert werden, an der nächsten Rahmen, an der über­nächsten vielleicht Glasleisten etc. Al­les ohne Umrüsten und zusätzlichen Aufwand. Mithilfe einer vollautomati­schen Station mit fünf Farbpumpen ge­lingt ein Farbwechsel in rund einein­halb Minuten. Der Lackverlust beträgt dabei lediglich rund einen Liter.

Die Michels Fenster-Türen GmbH & Co. KG beschäf­tigt 39 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Unter­nehmen produziert verschiedenste Fenstersysteme von 68 bis 90 mm Stärke in Holz und Holz-Alumini­um, von Denkmalschutz bis modern. Wie in der nördlichen Hälfte Deutschlands üblich, wird über­wiegend Meranti verarbeitet. Sechs eigene Montage­trupps sind auf den Baustellen unterwegs, ein eigener Kran sorgt dafür, dass auch extreme Fenstergewichte ergonomisch bewegt werden können.

Christian Michels sieht die Einzelteilfertigung durchaus als Alleinstellungsmerkmal des Betriebes. Fast noch wichtiger als die technischen Vorteile ist im Verkaufsgespräch dabei die Optik: »Ohne Glasleiste wirken Fenster klar und modern, das kommt bei den Kunden sehr gut an.«



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